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Meine Geschichten - Memis Sterne


Memis Sterne ist eine meiner Lieblings-Sci-Fi Geschichten, ziemlich lang und mit offenem Ende, viel Spaß beim lesen, vielleicht gibt es Mal eine Vortsetzung

Eure Rose

Memis Sterne

 
„Erläutere die Bedeutung der einzelnen Welten im Dreierbund!“, las Siry vor. Sie lag im unteren Teil des Hochbetts, das in dem kleinen Zimmer von Memis und ihr stand. Siry war ein Jahr jünger als ihre beste Freundin und eigentlich auch eine Klasse unter ihr, aber Siry war ein Jahr früher eingeschult worden, weil die der Kinderbetreuerin vom CWH (Cravia-Weisenhaus) mit ihren Fragen immer auf die Nerven ging.
„Die Janjell sind die Chefs und klauen sich die Technik von den Valanern, die für sie arbeiten und gemeinsam unterdrücken sie die Menschen, die immer die Drecksarbeit machen müssen.“, schlug Memis vor.
„Quatsch Memis, im Dreierbund wird niemand unterdrückt, jeder tut, was er am besten kann, hast du nicht zugehört?“
„Doch, aber es ist doch wahr! Menschen werden immer nur niedere Besatzungsmitglieder auf den Schiffen, nie Navigatoren, Piloten oder Kapitäne!“, warf Memis ein.
„Aber das ist so, weil die anderen Völker sich besser dafür eignen!“
„Das ist Rassismus!“
„Nur weil du unbedingt Navigatorin werden willst? Gib es endlich auf, Memis, sie werden dich noch nicht einmal in den Raum lassen, du wirst dein Leben lang auf der Erde schuften, wetten?“
„Niemals!!! Ich werde fliegen, ganz bestimmt, wart’s nur ab!“
Memis hatte sogar schon einen Plan: Ein Schiff des Diplomatiebundes war heute gelandet und sie wusste vom Barbesitzer Quasimodo, dass ihnen ein Mitglied der menschlichen Mannschaft fehlte. Heute Nacht wollte Memis abhauen und dort anheuern. Sie hatte schon heimlich ihre Sachen gepackt und in einer Tasche unterm Bett stehen.
Der Gong ertönte und die beiden Mädchen machten schnell das Licht aus.
„Wusstest du, dass die Jungs eine Maus im Zimmer 35 aufziehen?“, erkundigte Siry sich.
„Nein, echt? Wenn Diabola das spitzkriegt…“
„Mico hat sie im Schrank versteckt. Ich hab sie gesehen, als ich ihm Mathe erklärt habe“, berichtete die Jüngere.
„Cool, wo haben sie sie her?“, wollte Memis wissen.
„Keine Ahnung!“
Frau Dianvia, die von den Kindern heimlich Diabola genannt wurde, schlug gegen die Tür und rief:
„Ruhe, Zimmer 16, oder ihr bekommt kein Frühstück!“
 
Memis wartete und sah immer wieder auf die Uhr. Um elf hörte sie nur noch Sirys gleichmäßige Atemzüge und Frau Dianvias Schritte auf dem Flur. Kurz nach Mitternacht verließ die Erzieherin den zweiten Mädchenflur und marschierte zum Schlaftrakt der Erwachsenen.
Memis wartete noch eine halbe Stunde, damit Frau Dianvia genug Zeit zum einschlafen hatte, dann schlüpfte sie leise in die Klamotten, die unter ihrem Kopfkissen lagen und machte ihr Bett.
Auf Kissen legte sie einen Brief an Siry, dessen Inhalt sie auswendig kannte.
 
Liebe Sirella!
 
Ich hab dein Geburtstagsgeschenk in meinen Spind getan, der Schlüssel ist im Ranzen neben dem Schreibtisch, mach es aber nicht früher auf, das bringt Unglück, Siry!!!
Es tut mir Leid, dass ich ohne ein Wort gegangen bin, aber du hättest sicher versucht, mich davon abzuhalten, mitnehmen konnte ich dich auch nicht, denn Modo sagt, auf dem Diplo-Schiff ist nur ein Platz frei.
Du weißt, dass ich gehen musste, auch wenn du es nicht wahrhaben wolltest, aber das hier ist kein Ort für mich. Warte nur ab, in ein paar Jahren bin ich Navigatorin und hole dich ab!
 
Ich hab dich ganz, ganz, ganz, ganz, ganz extrem doll lieb
                                                                                                          deine Memis
 
Memis öffnete das Fenster, nahm ihre Tasche und kletterte an der verwitterten Fassade nach unten. Vorsichtig schlich sie über das Gelände zum Tor, zudem sie schon vor Jahren einen Ersatzschlüssel einkassiert hatte.
Sie schloss es auf und von außen wieder zu, dann lief sie um das ganze Gelände zum Vordereingang. Sie warf den Schlüssel zusammen mit einer Notiz in den Briefkasten.
 
Ihr braucht mich nicht suchen, ich bin ganz weit weg, denn ich will zu den Sternen. Ich hab den Schlüssel jetzt, wo ich ihn nicht mehr brauche zurückgegeben.
Ich liebe euch alle
                                   Memaya Calibri
 
Als Memis den Schlüssel dumpf im Briefkasten aufschlagen hörte, wusste sie, dass dieser Teil ihres Lebens vorbei war. Jetzt gab es kein zurück mehr!
 
Sie ging die fünf Kilometer bis nach Neu-Koblenz, und dort direkt zu Modos Bar.
 
„Hallo Memis, heute schwer bepackt und ohne Siry?“, fragte Quasimodo von der Theke her.
„Ja, Modo, ich suche mir meinen Job.“
„Du meinst das Diplo-Schiff, richtig?“
„Ja, weißt du, wo ich jemanden von denen finde?“
„Klar, siehst du die beiden Valanerinnen dort? Das sind die Navigatorinnen von den Schiff.“
„Danke, Modo. Drück mir die Daumen!!!“
„Viel Glück!“
Memis drehte sich um und ging nervös in die Ecke zu den beiden Frauen mit der blauen Haut.
„Guten Abend!“, grüßte sie und setzte sich zu den beiden. Das war in Raumharfen-Bars üblich.
„Guten Abend!“, erwiderten beide gleichzeitig. Die scheinbar jüngere der beiden hatte blaue Wimpern und Krallen, ihre Haare waren schwarz und ihre Zunge war, wie bei den meisten ihrer Art, einmal gespalten und lief zu zwei unabhängig voneinander beweglichen Spitzen zu, die rechts und links aus dem Mund lugten. Valaner hatten keine Nase, sondern seitlich am Hals sitzende Nemas, durch sie sie atmeten, und sie rochen mit den Zungenspitzen.
Die zweite Valanerin hatte blaue Haare, Wimpern und Krallen, ihre Zunge war doppelt gespalten.
Aber am meisten irritierten Memis die Augen. Die der ersten Valanerin waren schwarz, die der Anderen blau und man konnte nichts Weißes und keine Pupille in den großen, mandelförmigen Sehorganen erkennen.
„Leute wie euch sieht man nicht oft hier!“, erklärte Memis.
„Wir kamen mit der Serafina her, aber nur als Zwischenstopp.“
„Ich hab gehört, euch fehlt ein Besatzungsmitglied…“
„Ja, davon haben wir gehört. Weshalb interessiert euch das?“
„Ich suche ein Schiff, wo ich anheuern könnte.“
„Seid ihr nicht noch zu jung dafür?“, wollte die blauäugige Frau wissen.
„Nicht wirklich.“
„Gut, wenn ihr meint. Wir bringen euch zu Kapitän Coron. Wir sind übrigens Akaria Sha’ Kranell und Ayenn Scha’ Levrenor“, stellte die Jüngere vor.
„Ich bin Memaya Calibri.“
Zu dritt verließen sie die Bar und betraten das Dock, in dem die Serafina lag.
„Ihr wartet hier!“, sagte Akaria, die Valanerinnen drückten ihre Zugangschips gegen die Tür und betraten das Schiff.
Nervös trat Memis von einem Bein auf das andere, bis ein anderer Valaner die Tür von Innen öffnete und sie hereinbat.
„Ich bin Ondro Scha’ Sazel, du musst Memaya Calibri sein.“
Memis nickte und sah sich den Valaner an. Er hatte schwarze Wimpern, Augen und Krallen, seine Haare waren blau. Er sah aus, wie die Hälfte aller Valaner, und doch war er anders. Memis spürte es, und außerdem hatte er „ich“ und „du“ gesagt.
„Warum sollten wir ausgerechnet dich nehmen? Du bist selbst für einen dieser kurzlebigen Menschen ziemlich jung, und hast wohl kaum Berufserfahrung…“
„Na ja, ich hab um ehrlich zu sein noch nicht einmal eine Ausbildung, aber ich will auf jeden Fall weg von der Erde. Ich wollte schon immer fliegen, und ihr braucht noch jemanden. Es sieht nicht so aus, als währe der Andrang besonders groß!“
„Da hast du allerdings Recht. Du bist die Einzige, und wir müssen morgen schon weiter. Was hältst du von einem Deal: Du machst zwei Flüge auf Probe mit und bekommst noch keine Bezahlung, wenn du dich gut anstellst, nehmen wir dich auf. In Ordnung?“
Memis war begeistert. Sie kam zumindest erstmal weg von der Erde, alles Weitere würde sich schon ergeben.
„Ich bin dabei“, sagte sie.
„Gut, wenn du noch was von zuhause holen musst…“
„Nee, ich hab alles dabei“, unterbrach Memis Ondro.
„Gut. Du gehst den Gang hier bis zum Ende, da ist der Turbolift, du fährst zur Ebene drei, dann gehst du den Gang entlang und biegst in den letzten Gang auf der rechten Seite ein. Die zweite Tür links ist Julios Kabine, der kümmert sich um dich.
„Danke!“, sagte Memis und machte sich auf den Weg.
Sie fand Julio ohne Probleme. Er war groß, schwarzhaarig und offenbar sehr nett.
„Ich bin Memaya Calibri und bin gerade eingestellt worden“, stellte sie sich vor.
„Aha. Ich bin Julio. Sag mal, Memaya, bist du nicht noch ein bisschen jung um durch die Gegend zu fliegen? Du bist doch höchstens 15!“
„Quatsch, ich bin 16 Jahre und acht Monate alt. Ist doch auch egal, ich komme auf jeden Fall mit!“
„Wenn du meinst. Aber glaub nicht, dass der Job einfach wäre. Du musst bestimmt noch ausgebildet werden? Ich zeig dir erstmal deine Kabine.“
Julio führte sie zu einem keinen Raum einige Türen weiter. Es gab nur ein Bett und einen kleinen Schrank, damit war das Zimmer allerdings auch schon voll.
„Du kannst dich ja schon mal einrichten, ich regle noch alles Weitere.
Er schloss die Tür und Memis leerte ihre Tasche auf das Bett aus, dann legte sie ihre Klamotten in den Schrank.
Sie nahm einen kleinen grünen Kiesel in die Hand. Siry hatte ihn ihr zum Fünften Geburtstag geschenkt. Sie legte ihn auf ein silbernes Seidentuch, Sirys nächstes Geschenk.
Neben den Stein legte sie eine geflochtene, rote Strähne, die an beiden Enden von grünen Schleifen zusammengehalten wurde. Einige Jungen hatten Siry Kaugummi in die Haare geschmiert, sie musste sich die Haare kurz schneiden lassen, eine saubere Strähne hatte sie Memis zum siebten Geburtstag gegeben.
So ging es weiter, bis alle Geschenke vom fünften bis zum fünfzehnten Geburtstag dalagen.
Memis verknotete die Enden des Tuchs und legte es unters Kopfkissen. Eine Träne lief ihr über die Wange, als sie sich innerlich von ihrer besten Freundin verabschiedete.
Das Geschenk, das sie zum sechzehnten Geburtstag bekommen hatte, trug Memis immer bei sich.
Es war ein herzförmiger Kettenanhänger aus Silber. Wenn man den Knopf auf der Rückseite des Herzens drückte, erschien ein Hologramm von Siry, die sagte: „Memis, du Träumerin, ich hab dich ganz, ganz, ganz, ganz, ganz extrem doll lieb, alles Gute zum Sechzehnten!“
Memis spielte es ab und flüsterte: „Ich dich auch Siry, aber ich muss meinen Traum leben. Verzeih mir!“
Dann setzte Memis sich aufs Bett und schloss die Augen. Sie stellte sich vor, wie sie ein schnelles Schiff sicher durch den E-Raum leitete, als berühmteste Navigatorin des Dreierbunds.
Es klopfte an der Tür, Memis öffnete.
„Da bin ich wieder“, meinte Julio, „Hier sind dein Zugangschip und deine Uniform drin, und hier musst du unterschreiben.“
Er reichte Memis ein Doppelseitig bedrucktes Blatt und ein Paket. Sie las ihren Vertrag durch und unterschrieb, dann öffnete sie das Päckchen, das einen silbernen Zugangschip, eine blaue Uniform und eine kleine Karte der Serafina enthielt.
„Es gibt auch im Turbolift eine Karte, aber die lässt sich ja nicht drehen, weil die in der Wand befestigt ist und damit kommen Frauen ja nie so gut klar… Deine erste Schicht ist morgen um fünfzehn Uhr, ich komme dich abholen, bis dahin kannst du fast alles machen, worauf du Lust hast. Mit deinem Chip kommst du übrigens nicht überall hin, aber er ist der einzige, der dein Zimmer öffnet, also verlier ihn nicht, sonst müssen wir die Tür über den Zentralcomputer öffnen!“, Julio lachte und verschwand.
 
Die nächsten Tage bestanden für Memis nur aus langweiligen Einweisungen und genauso langweiligen Pausen.
Sie hatte leider keine Gelegenheit, mit irgendwelchen Navigatoren zu sprechen, aber mit Ondro freundete sie sich ein bisschen an. Er hatte offenbar das Gefühl, auf sie aufpassen zu müssen.
Als sie schon drei Tage unterwegs waren, saßen die beiden zusammen in der Cantina, und Memis stellte endlich eine Frage, die sie schon länger beschäftigte.
„Ondro, wieso sagst du eigentlich „ich“ und „du“, ich dachte, diese Wörter gibt es für Valaner gar nicht?“
„Das stimmt schon, Memis, aber dieses Gemeinschaftsgefühl ist zum größten Teil anerzogen, und ich bin nicht auf Vala aufgewachsen. Kapitän Coron hat mich als kleinen Jungen gefunden und aufgezogen, deswegen fühle ich mich auch eher als Janjell, denn als Valaner.“
„Aha, dann bist du also auch eigentlich ein Waise“, meinte Memis.
„Auch?“
„Meine Eltern kamen bei einem Unfall ums Leben, als ich zwei war, dann kam ich in ein CWH. Aber da habe ich es nicht lange ausgehalten.“
„Wieso? Waren dort alles so blöd?“
„Nicht alle. Mit einem Mädchen, Siry, war ich gut befreundet, aber ich konnte nicht immer dort bleiben. Wir durften offiziell noch nicht einmal nach Neu-Koblenz, aber ich bin ständig abgehauen. Und vor allem wollte ich nicht den Rest meines Lebens irgendeinen blöden Job machen.“
„Sondern?“
„Lach mich jetzt nicht aus!!!“, warnet Memis Ondro.
„Bestimmt nicht. Ich habe auch Träume, die ich erfüllen will, und deswegen respektiere ich auch andere Träume.“
„Was denn für welche?“, wollte Memis wissen.
„Ich hab zuerst gefragt!“
„Na ja, ich wollte schon immer Navigatorin werden, seit ich denken kann“
„Ich möchte Ria heiraten.“
„Echt? Hast du ihr das auch gesagt?“
„Nein. Ich bin in sie verliebt, seit sie die Serafina betreten hat, aber ich glaube, sie mag mich nicht, weil ich anders bin als die anderen Valaner. Und du, wie steht’s mit dem Navigieren?“
„Zumindest bin ich schon mal auf einem Schiff. Der Rest könnte allerdings schwieriger werden, weil ich ein Mensch bin“
„Mach dir nichts draus. Irgendwann bist du Navigatorin, ganz bestimmt, schließlich ist auch irgendwann der erste Janjell Kapitän geworden. Wieso solltest du nicht die erste, menschliche Navigatorin sein?“
„Du glaubst, ich kann das schaffen?“, fragte Memis aufgeregt.
„Wenn du Geduld hast und nicht aufgibst, oh ich muss los, Tschüss Memis“
Am selben Abend stellte Memis sich unter die Dusche, die sich automatisch an ihre Körpertemperatur anpasste, als plötzlich ein Ruck durch die Serafina ging und das Wasser ausging.
Die Sirene ertönte und Corons Stimme schallte über die Sprechanlage durch das Schiff.
„Die Serafina steht unter Beschuss, alle Mannschaftsmitglieder kommen so schnell wie möglich zur Brücke!“
Memis trocknete sich schnell ab und schlüpfte in ihre Uniform. Ihre kurzen, schwarzen Haare trockneten auf dem Weg durch das ganze Schiff fast vollständig.
Als sie auf der Brücke ankam, war die restliche Mannschaft schon fast vollständig anwesend, Ayenn erklärte Coron gerade, dass Akaria bewusstlos auf der Krankenstation lag. Die Meisten hatten schon Aufgaben, Julio kam auf Memis zu.
„Memaya, wir haben ein Leck auf Ebene zwei, es ist schon ein Trupp unten, wenn sonst noch jemand irgendwo auf der Ebene ist, bring ihn hoch, es kann sein, dass einige beim ersten Angriff das Bewusstsein verloren haben. Hier, nimm die Sauerstoffmasken mit, ich weiß nicht, wie die Atemluft da unten ist!“
Memis sprang in den Turbolift und fuhr zur Ebene zwei herunter. Die Tür glitt leise auf, der Reparaturtrupp hatte das Leck schon notdürftig verschlossen und verstärkte die provisorische Außenwand gerade mit einem Material, das Memis nicht auf Anhieb erkante.
Sie lief als erstes zur Krankenstation, die auf Ebene zwei lag, da sie mitbekommen hatte, dass Akaria dort war. Die Valanerin lag bewusstlos im ersten Bett bei der Tür, durch die Memis die Station betrat. Vorsichtig legte sie den linken Zeige- und Mittelfinder auf den hellblauen Hals, um den Puls zu fühlen. Akarias Herz schlug schwach und unregelmäßig. Memis drückte ihr eine Sauerstoffmaske, die eigentlich für Menschen gemacht war, gegen die Nemas auf der rechten Seite des Halses. Hoffentlich würde das auch funktionieren. Sie schob das Rollbett in den Turbolift und fuhr wieder auf die Brücke, Ebene eins.
Dort kümmerte Ayenn sich sofort um ihre Freundin, sodass Memis sich wieder auf die Suche machen konnte.
Es war ein komisches Gefühl, durch die Gänge zu gehen. Alles war umgekippt, heruntergefallen, zerbrochen oder verbogen. Memis riss eine Tür nach der anderen, fand aber niemanden, bis sie die Tür zur Küche öffnete und schrie.
 
Zwei menschliche Leichen lagen dort. Die beiden Männer waren qualvoll erstickt, die Augen waren entsetzt aufgerissen. Memis kniete sich neben den Jüngeren und schloss seine Augen, als sie plötzlich eine Stimme hinter sich hörte. Sie war von einer Atemmaske verzerrt.
„Hände hoch, Mädchen!“, befahl sie.
Memis hob die Hände und stand langsam auf. Sie war von Raumpiraten umstellt.
„Zwei Leute bleiben hier und passen auf die Süße hier auf, der Rest kommt mit mir!“
„Wir brauchen keine zwei Leute, um ein Kind zu bewachen!“, beschwerte sich einer aus dem Kreis der Piraten.
„Gut, dann bleibst du alleine hier!“
Die ganze Mannschaft lachte gehässig und stürmte zum Turbolift. Memis’ Bewacher sah ihnen wütend nach, diese Sekunde nutzte sie, um den kleinen Strahler, der zu ihrer Uniform gehörte, zu ziehen. Als der Pirat sich umdrehte, traf ihn ein E- Strahl, er sank bewusstlos zu Boden und Memis rannte seiner Mannschaft hinterher.
 
Als sie die Tür zur Brücke aufriss, stolperte Memis in eine Schießerei zwischen der Crew der Serafina und den Piraten. Es dauerte allerdings nicht lange, bis diese sich ergaben. Auf einem Diplo-Schiff hatten sie sicherlich keine Gegenwehr erwartet. Die toten Piraten wurden den Weiten des Weltalls übergeben, die anderen wurden in einige leere Quartiere eingeschlossen. Allerdings hatte auch die Mannschaft der Serafina nicht alle heil überstanden. Ayenn war von einem Querschläger getötet worden und mehrere Menschen waren verletzt.
„Ich würde mal sagen, wir haben ein Problem. Eine Navigatorin ist tot, die andere bewusstlos und unser Schiff ist Elektroschrott!“, beschwerte Ondro sich bei Memis.
Plötzlich kam Coron angehetzt.
„Wir haben ein echtes Problem Ondro. Der Sauerstoff reicht noch für zwei Stunden und 28 Minuten. In dieser Zeit lässt sich kein Planet mit normalem Antrieb erreichen. Um im E-Raum zu reisen bräuchten wir einen einsatzfähigen Navigator, aber den haben wir auch nicht.“
„Das nenne ich ein ernstes Problem. Welchen Planeten könnten wir denn erreichen?“
„Verzo ist am nächsten. Eine Stunde auf E-Antrieb“, erklärte Coron.
 
„Moment Mal!“, rief Ondro, „Memaya will doch Navigatorin werden. Vielleicht sollten wir ihre Fähigkeiten einmal auf die Probe stellen.“
„Bist du verrückt geworden, Ondro? Sie ist noch ein Kind, hat keine Ausbildung und ist ein Mensch. Drei Gründe die dagegensprechen. Keine gute Idee, oder?“
„Na ja, sie träumt schon lange davon, und wenn wir es nicht versuchen, dann gehen wir alle drauf. Wenn sie es nicht schafft, sterben wir auch, aber schneller. Entweder ersticken oder gegen irgendetwas knallen und eine schöne Explosion auslösen, oder sicher auf Verzo ankommen, mehr Möglichkeiten haben wir offenbar nicht.“
„Da hast du Recht, Ondro. Dann sterbe ich lieber schnell. Komm mit, Memaya!“, lenkte Coron ein.
Trotz der verzweifelten Lage strahlte Memis wie ein Honigkuchenpferd. Sie würde gleich die Serafina fliegen!
Dann ging alles sehr schnell. Ondro brachte sie ins Navigationscockpit, sie setzte sich auf den Stuhl und wurde mit der Serafina verkabelt.
„Viel Glück, Memis!“, wünschte Ondro ihr noch, dann spritzte Julio ihr das Questin.
Das war die Flüssigkeit, die das Navigieren überhaupt möglich machte. Unter Einfluss von Questin konnte ein Mensch, oder jede andere Lebensform, an einen Computer angeschlossen werden. Die Person konnte durch die Droge einen größeren Teil ihres Gehirns, beinahe 80 statt den üblichen 10 Prozent, nutzen. Aber es war auch sehr gefährlich, Questin zu benutzen. Janjell konnten niemals Schiffe navigieren, denn ihr Körper baute Questin sehr schnell ab. Menschen und Valaner hatten dadurch viel kürzere Reaktionszeiten, allerdings wurden sie schon nach wenigen Anwendungen stark davon beeinflusst. Questingeschädigte Körper waren nicht mehr in der Lage, Kohlenhydrate und Alkohol normal abzubauen. Letzteres war kein allzu großes Problem und der Grund dafür, das Navigatoren nie betrunken waren, aber Kohlenhydrate waren für alle Rassen im Dreierbund lebenswichtig, deswegen mussten Questinbenutzer regelmäßig unter ärztlicher Aufsicht Glucose gespritzt bekommen.
 
Memis wusste das alles, aber sie hatte trotzdem keine Angst, als ihre Augen zufielen und sie mit dem Computer verschmolz. Es war ein seltsames Gefühl.
 
Es war in einem Tunnel aus buntem Licht gefangen, der plötzlich kippte und es rasend schnell nach unten schleuderte. Da war keinen Körper mehr, der ein Gefühl spüren könnte, als ob der Magen durchgerüttelt wurde, es gab nur das Bewusstsein. Es erkannte in dem Licht Datenströme, Informationen über die Serafina, und es erkannte die Stelle, an der es die Leitung, durch die die Daten flossen, verlassen musste.
Das Bewusstsein verließ den Datenstrom und kam ins E-Steuerungssystem, welches es als Joystick wahrnahm. Vor ihm war ein riesiger Bildschirm, der den Blick ins Weltall freigab, und es war eine Karte eingeblendet, auf der zwei Kreuze zu einen den Standort der Serafina und zum anderen den Planeten Verzo markierten. Das Bewusstsein erschuf sich eine Hand vor, die den Joystick ergriff, und den roten Knopf drückte.
E-Antrieb gestartet
Der Schriftzug flackerte kurz am linken, unteren Rand des Bildschirms auf. Die Hand des Bewusstseins hielt den Joystick verkrampft fest, denn es hatte Angst. Es war kein körperliches Gefühl wie Schmerz, denn das Bewusstsein hatte keine Verbindung zu einem Körper, es wusste nicht, was ein Körper war, aber es hatte Angst um den Computer, denn es war ein Teil desselben. Wenn es versagte wäre der Computer mit Sicherheit zerstört und das Bewusstsein vernichtet.
Energisch wischte es diese Gedanken beiseite und lockerte seinen Griff, bevor es den Joystick nach vorne schob und das Schiff sich in Bewegung setzte. Da das Bewusstsein keine Erfahrung mit dem Navigieren von Schiffen hatte, bemerkte es Hindernisse oft erst in letzter Sekunde und riss das Schiff dann heftig zur Seite. Nachdem es scheinbar eine Ewigkeit geflogen und endlich in der Nähe von Verzo angekommen war gab es einen Ruck, auf dem Bildschirm erschien der Schriftzug
E-Antrieb ausgeschaltet scheinbar in Zeitlupe, dann noch langsamer eine zweite Botschaft.
Memis, komm raus, wir sind da!
Das Bewusstsein verstand nicht, was Memis bedeutete, es wusste auch nicht, warum die Botschaft Buchstabe für Buchstabe so langsam erschien, aber es verstand, dass es zum Ausgangspunkt zurückkehren sollte.
Es stellte sich eine Tastatur vor und schrieb mit der Hand, die es schon erschaffen hatte:
Ich komme zurück.
Es wurde Teil eines Datenstroms, der in die andere Richtung floss, als der, mit dem es gekommen war. Nach kurzer Zeit erkannte es den Ausgangspunkt und verließ den Datenstrom, um mit dem Anderen zu verschmelzen, was nicht der Computer war.
 
 
Memis schlug benommen die Augen auf. Sie fühlte sich schwach und war hungrig. Um sie herum stand fast die ganze Mannschaft der Serafina und applaudierte.
„Du hast es geschafft, Memaya! Ondro Scha’ Sazel fliegt mit normalem Antrieb den Rest der Strecke. Du hast es geschafft!“, rief Julio begeistert. Er löste die Kabel von Memis und wollte sie auf ich Zimmer bringen, da die Krankenstation keinen Sauerstoff mehr bekam. Unterwegs musste sie sich zweimal übergeben.
„Also, an das Questin musst du dich wohl erstmal gewöhnen!“, meinte Julio lachend, als er die Tür hinter sich schloss. Es dauerte nur Sekunden, bis Memis in ihrer dreckigen Uniform eingeschlafen war.
 
Jemand klopfte an die Tür und sie schreckte erschrocken hoch. Memis brauchte einige Sekunden, um sich zu erinnern, was passiert war. Schnell öffnete sie die Tür, vor der eine recht mitgenommen aussehende Valanerin stand.
„Hallo Memaya! Wir sind gerade erst aufgewacht und wollten unbedingt nach euch sehen. Wir wissen noch sehr gut, wie es uns ging, als wir zum ersten Mal Questin bekommen haben. Wie geht es euch jetzt?“
„Ich bin irgendwie noch wackelig auf den Beinen, aber überglücklich, dass ich es geschafft habe. Es war schon komisch im Computer zu sein.“
„Erzählt ihr uns davon?“, fragte Akaria.
Die beiden gingen zusammen in die Cantina und Memis berichtete von ihrem Erlebnis.
„Für’ s erste Mal war das schon unglaublich gut, Memaya. Die Meisten wissen anfangs nicht, wo sie hinmüssen, und sie müssen sich einen ganzen Körper erschaffen, um im Computer zu handeln. Später braucht man gar keine Hilfsmittel mehr.“
„Wie geht das denn? Man braucht doch Hände, um den Joystick anzufassen, oder?“
„Ihr habt auch keine Augen gebraucht, um den Weltraum zu sehen. Den Joystick habt ihr nur erschaffen, um eure Gedanken zu fokussieren. In einer richtigen Ausbildung lernt man, die Gedanken ohne Hilfsmittel zu steuern. Wir müssen nur noch zur E-Steuerung, wo wir dann das Weltall sehen, und steuern das Schiff nur mit unseren Gedanken. Nach einer Weile lernt man auch, im Computer eine Person zu sein. Dann seid ihr auch dort Memaya, nicht mehr „das Bewusstsein“, wie ihr es vorgestern erlebt habt. Das geht aber nur durch Übung.“
„Vorgestern? Wie lange habe ich denn geschlafen?“
„Oh, vorgestern Nachmittag seid ihr eingeschlafen, gestern habt ihr durchgeschlafen, und heute seid ihr gegen Mittag aufgewacht.“
„Oh…“
„Wir sind immer noch auf Verzo und das Schiff ist fast repariert.“
Ondro kam zu den beiden an den Tisch.
„Hallo Memaya, du bist endlich wach! Wie war’s denn im Computer?“
Memis erzählte ihre Geschichte zum zweiten Mal und meinte am Schluss:
„Also Ondro, ich bin meinem Traum wohl einen Schritt näher gekommen, jetzt musst du auch weitermachen!“
„Memis, das ist jetzt unfair!“, meinte er.
„Na gut, dann mach ich es für dich. Akaria, hast du heute Abend Zeit, dich mit Ondro zu treffen?“
„Was?“, fragte die Valanerin überrascht und ihr Gesicht färbte sich dunkelblau, Ondro sah Memis vorwurfsvoll an.
„Okay, dann seid ihr beiden heute Abend um halb neun verabredet, alles klar?“
Die beiden Valaner nickten verdutzt.
 
Am nächsten Tag betrat Memis die Brücke und stolperte so mitten in einen Streit über sie selbst.
„Verdammt Akaria, sie ist ein Mensch und sie ist ein Kind! Das kannst du nicht ernst meinen!“, entrüstete Coron sich.
„Wir meinen es ernst. Sie haben Talent, mehr Talent als manche Valaner. Und wir werden sicherlich nicht den ganzen restlichen Weg alleine fliegen. Wir könnten dabei schwere Schäden davontragen!“
„Dann machen wir eben Pausen. Oder ich suche einen neuen Navigator.“
„Wir sind jetzt schon verspätet, wenn wir noch länger brauchen kommen wir nicht rechzeitig an, um die beiden Setatoren abzuholen. Dann bekommt die Serafina so bald keine Aufträge mehr!“
„Wenn es sein muss, mach mit dem Mädchen was du willst, aber wenn wir die Herrschaften abholen, dann stelle ich eine vollständige Mannschaft zusammen. Wenn du sie hier behalten willst, dann ist es von da an deine Sache.“
Memis jubelte innerlich. Akaria wollte sie wirklich ausbilden!!!

Die hier veröffentlichten Geschichten stammen von mir und dürfen nicht weiterverwendet werden!

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